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                Date: 2001-08-10
                 
                 
                DE: Schleichfahrt zur Abhoerverordnung
                
                 
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      Christiane Schulzki-Haddouti 10.08.2001 
 
Internationale Abhörpolitik und Verhandlungen hinter  
verschlossenen Türen gestalteten die Vorgaben für die umstrittene  
Telekommunikations-Überwachungsverordnung  
 
Im Herbst wird vermutlich die endgültige Entscheidung über die  
Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) fallen.  
Erste Ergebnisse der Überarbeitung seitens der damit beauftragten  
Abteilung im Bundeswirtschaftsministerium verheißen wenig  
Veränderung - obgleich seitens der Koalitionsparteien sowie der  
FDP der Verzicht auf das Überwachen des Internet gefordert wird  
und auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller eine  
"ergebnisoffene Diskussion" vorgab. Falls nun keine klaren Zeichen  
des Parlaments für eine Änderung des  
Telekommunikationsgesetzes (TKG) kommen, wird alles beim  
Alten bleiben. Doch diese "Lauschverordnung" ist kein rein  
deutsches Produkt. Dahinter stehen jahrelange Verhandlungen in  
öffentlichkeitsscheuen Gremien und ein EU-Ratsbeschluss von  
1995, der seinerzeit viel zu wenig Beachtung fand.  
 
Schon die Entstehungsgeschichte der Telekommunikations- 
Überwachungsverordnung zeigt, dass es wenig Grund für  
Optimismus gibt. Denn sie veraunschaulicht schon fast wie im  
Lehrbuch, wie staatliche Eigeninteressen sich über die Interessen  
einer demokratisch legitimierten Interessensvertretung erfolgreich  
hinwegsetzen können. Das ist das aus demokratischer Sicht  
eigentlich Beunruhigende an der TKÜV.  
 
 
Gesetzesverabschiedung in gutem Glauben  
 
Erstmals öffentlich diskutiert wurde das Problem der  
Abhörschnittstellen vor der Verabschiedung des  
Telekommunikationsgesetzes (TKG) im Jahre 1996. Die  
Abgeordneten Jörg Tauss (SPD) und Manuel Kiper (Bündnisgrüne)  
zeigen sich bei den Ausschussberatungen zum Gesetz besorgt  
über den Paragraphen 88, der es den Betreibern der  
Telekommunikationsanlagen vorschrieb, die  
Überwachungsmaßnahmen "auf eigene Kosten zu gestalten und  
vorzuhalten".  
 
Schon damals wies Kiper darauf hin, dass davon nicht nur  
Telekommunikationsbetreiber wie die Deutsche Telekom, sondern  
auch Internet-Provider betroffen sein würden. Für Tauss war die  
Belastung der jungen Internetwirtschaft der Hauptgrund, als  
einziger SPD-Abgeordneter gegen das Gesetz zu stimmen. Die  
anderen Abgeordneten betrachteten die Sorge der beiden eher als  
Panikmache. Schließlich ging es ja im Kern um die Liberalisierung  
des Telekommunikationsmarktes, vom Internet sei in dem Gesetz  
auch keine Rede. Zudem hatten die für den Gesetzesentwurf  
verantwortlichen Ministeriumsbeamten versichert, dass nur die  
klassischen Telekommunikationsbetreiber von den Abhörauflagen  
betroffen sein würden. Die Mehrheit glaubte diesen Versicherungen  
treuherzig und verabschiedete am 13. Juni das "Abhörgesetz"  
(Kiper) (siehe: Abhör-Dschungel, Geheimdienste lesen ungeniert  
mit - Grundrechte werden abgebaut).  
 
Abgeordnete wurden getäuscht  
 
Dass die Mehrheit des Bundestags damit vorsätzlich in die Irre  
geführt wurde, wurde erst viel später klar, und dies auch nur Schritt  
für Schritt. Der internationale Hintergrund des Paragraphen 88  
schälte sich erst heraus, nachdem unter Verschluss gehaltene  
Papiere in die Hände von Journalisten kamen, die sie in Telepolis  
veröffentlichten. 1996 war jedoch allen Abgeordneten unbekannt,  
dass der Formulierung des Paragraphen 88 in den Ministerien eine  
jahrelange Diskussion in internationalen Arbeitsgruppen  
vorausgegangen war. Es war ihnen nicht bewusst, dass der  
staatliche Regierungsapparat ohne Rücksprache und  
demokratische Legitimierung seine eigene Politik verfolgt hatte.  
 
An den internationalen Arbeitsgruppen hatten nicht nur Beamte des  
Bundesinnenministeriums und -justizministeriums, sondern auch  
Strafverfolger teilgenommen. Diese Arbeit gipfelte im  
"Ratsbeschluss zum gesetzlichen Abhören von  
Telekommunikation", der am 17. Januar 1995 von den EU-Ministern  
in einer anfangs geheimen Entscheidung verabschiedet worden  
war. Er enthält die so genannten "International User Requirements"  
(IUR). Doch erst nach der Verabschiedung des TKG im Deutschen  
Bundestag wurde er am 4. November 1996 im Official Journal C329  
veröffentlicht.  
 
 
Internationale Abhörpolitik  
 
 
Wer hat die "International User Requirements", die "internationalen  
Nutzeranforderungen", besser den Wunschkatalog der Abhörer,  
erarbeitet? Erst im Zuge der Enfopol-Recherchen des  
österreichischen Journalisten Erich Moechel, des britischen  
Journalisten Duncan Campbell und mir für Telepolis in den Jahren  
1998 und 1999 (siehe Enfopol-Special) wurde deutlich, dass die  
Vorbereitungen bis mindestens in das Jahr 1992 zurückreichen. Im  
Juni 1992 wurde der FBI-Bericht über die "Anforderungen von  
Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung der elektronischen  
Kommunikation" formuliert, der als Vorlage für IUR fungierte.  
 
Im November 1993 treffen sich auf Einladung des FBI Beamte aus  
den USA, der EU, Kanada, Schweden, Norwegen, Finnland, Hong  
Kong, Australien, Neuseeland im FBI-Ausbildungszentrum in  
Quantico, Nähe Washington D.C. Sie gründen das ILETS, das  
International Law Enforcement Telecommunications Seminar. Die  
Gruppe, die sich fortan regelmäßig zur Erarbeitung der  
"International User Requirements" treffen wird, ist intern auch als  
Quantico-Gruppe bekannt. Das politische Ziel besteht unter  
anderem darin, die praktische Durchsetzung geplanter  
Rechtshilfeabkommen zu ermöglichen. Die internationale  
Zusammenarbeit der Polizeibehörden soll schneller und effektiver  
funktionieren.  
 
Unterstützt und vorangetrieben wird der Prozess von den  
europäischen Justiz- und Innenministern. Der EU-Rat für Justiz und  
Inneres trifft sich kurz nach dem Quantico-Meeting in Brüssel und  
verabschiedet einen Beschluss zum "Abhören von  
Kommunikation": Er beruft eine Expertengruppe ein, um die  
Anforderungen der EU mit denen der USA zu vergleichen. Auch  
soll die Gruppe die Anforderungen der EU gegenüber den  
Drittstaaten des Quantico-Treffens formulieren, "um eine  
Diskussion, die allein auf den Anforderungen des FBI beruht, zu  
vermeiden". Die gemeinsame Arbeit an den "International User  
Requirements" wird damit Ende 1993 formal beschlossen, der  
Grundstein für die EU-USA-Abhörkooperation ist damit gelegt. In  
den USA geht die Angelegenheit nach Vorstellungen des FBI  
schnell und zügig voran: Schon 1994 unterbreitet das FBI einen  
Vorschlag für "The Digital Telephony and Privacy Improvement  
Act". Der Gesetzesentwurf wird im August dem Kongress als "The  
Communications Assistance for Law Enforcement Act" (CALEA)  
vorgestellt. Kurze Zeit später, im Oktober, wird CALEA durch die  
Unterschrift von Clinton verabschiedet. Drei Monate später, im  
Januar 1995, folgen die EU-Minister mit ihrem geheimen Rats- 
Beschluss, der die "International User Requirements" ganz offiziell  
zur europäischen Politik macht. 
 
Mehr 
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9284/1.html
                   
 
 
 
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edited by Harkank 
published on: 2001-08-10 
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